Europäische Stiftung

Aachener Dom

Literatur zur Nacht 2022: Norbert Hummelt – ein „Grenzgänger zwischen Literatur und Religion“

v.l.: Prof. Dr. Friedhelm Marx (Universität Bamberg), Schriftsteller Norbert Hummelt, Prof. Birgit Lermen (ESAD/Organisatorin), Dompropst Rolf-Peter Cremer und Prof. Max Kerner (ESAD).

 

Im Jahr 1922 markierte der Tag der Darstellung des Herrn – so lautet inzwischen der offizielle Name des kirchlichen Feiertags Mariä Lichtfest – das Ende der Weihnachtszeit. Im heimischen Neuss packt die 23-jährige Hausfrau Franziska Kämmerling ihre Krippenfiguren zurück in die Seifenkiste und lässt den glanzlosen Alltag in die stets verdunkelte gute Stube einkehren, während James Joyce in Paris seinen 40. Geburtstag und die Erstausgabe seines Jahrhundertromans „Ulysses“ feiert. Beide Ereignisse und Personen haben nichts miteinander zu tun, und doch hat Norbert Hummelt sie 100 Jahre später in seinem Buch „1922 – Wunderjahr der Worte“ zusammengeführt.

Der in Berlin lebende und in Neuss geborene Autor nimmt den 2. Februar als Startpunkt für einen Jahresdurchlauf, in dem er persönliche, politische und kulturelle Ereignisse rekonstruiert und verknüpft. Auf diese Weise arbeitet er die schöpferische Energie und spannungsgeladene Stimmung der damaligen Zeit heraus. Auf Einladung der Europäischen Stiftung Aachener Dom war Hummelt jetzt zu Gast, um in der Reihe „Literatur zur Nacht“ aus seinem Buch zu lesen. Rund 80 Zuhörerinnen und Zuhörer nahmen an dieser Zeitreise teil, in die Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Friedhelm Marx inhaltlich einführte.

Intime Kenntnisse von der Entstehung der literarischen Werke 

Marx würdigte insbesondere das lyrische Schaffen Hummelts, der 2018 mit dem höchstdotierten Lyrikpreis im deutschsprachigen Raum ausgezeichnet wurde (Hölty-Lyrikpreis). Der in Berlin lebende Essayist, Übersetzer und Dichter sei ein „Grenzgänger zwischen Literatur und Religion“ und kreuze in seinen Werken häufig Spuren aus beiden Bereichen. Als Übersetzer habe er unter anderem T.S. Eliots Gedichtzyklen „Das öde Land“ (erschienen 1922) und „Vier Quartette“ neu ins Deutsche übertragen. Dank seiner intimen Kenntnisse von der Entstehung der literarischen Werke vor 100 Jahren erfahre man in den anekdotischen Erzählungen interessante Details von der Rivalität und Missgunst innerhalb der Schriftstellerszene, jedoch komme Hummelt wohltuend ohne analysierenden Snobismus aus.

Hummelt widmete die Lesung seiner Mutter, da sie just an diesem Abend 96 Jahre alt geworden wäre und den Aachener Dom sehr mochte: Sie war viele Jahre Mitglied des Karlsvereins-Dombauvereins. Dass darüber hinaus seine Großmutter Franziska Kämmerling eine zentrale Rolle spielen würde, war dank der Einführung auch den Gästen klar, die das Buch vorab nicht gelesen hatten. Hummelt sprang kapitelsweise zwischen den Biografien seiner Großmutter und den berühmten Autoren hin und her, verknüpfte das zuweilen tagesgenaue „Nebeneinander“ von Privatem und Öffentlichem mit den historisch-politischen Ereignissen des Jahres und spann so einen roten Faden, der sowohl aus literarischer als auch historischer Perspektive äußerst facettenreich war. Dass das Kirchenjahr diesem Buch eine Struktur gibt, wird am Ende deutlich, als Franziska Kämmerling sich anschickt, die Krippenfiguren wieder aufzustellen.

Dompropst Rolf-Peter Cremer griff in seinen Dankesworten den von Marx verwendeten Begriff „Sakrament des Lesens“ auf. An diesem Abend sei eine unsichtbare, da vergangene Wirklichkeit vergegenwärtigt worden und habe gezeigt, dass der Dom eine Möglichkeit geboten habe, Literatur, Geschichte und Religion einen Raum zu bieten.

 

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